
Wenn die Erschöpfung bei MS zum täglichen Begleiter wird
Fatigue ist ein weit verbreitetes und äußerst belastendes Symptom bei Menschen mit MS. Sie äußert sich als tiefgehende, anhaltende Erschöpfung, die den gesamten Alltag beeinflussen kann, unabhängig von Schlafgewohnheiten oder körperlicher Belastung. Im Gegensatz zur üblichen Müdigkeit, die meist durch Erholung behoben werden kann, bleibt Fatigue häufig ein ständiger Begleiter und kann selbst den einfachsten Tätigkeiten im Alltag entgegenstehen. In diesem Artikel gehen wir der Frage auf den Grund, warum Fatigue bei MS auftritt, wie sie diagnostiziert wird und welche Therapieansätze dabei helfen können, das Leben mit dieser Herausforderung besser zu gestalten.
Fatigue bei MS: Ursachen der Erschöpfung
Die genauen Ursachen der Fatigue bei MS sind noch nicht vollständig verstanden, doch sie wird vermutlich durch eine Kombination verschiedener Faktoren ausgelöst. Neben der Erkrankung selbst spielen auch neurologische Veränderungen, Schlafstörungen, Medikamente und psychische Belastungen eine Rolle.
Das Fortschreiten der Multiplen Sklerose ist ein wesentlicher Faktor, der die Fatigue beeinflussen kann. Krankheitsaktivität zeigt sich dabei nicht nur in Form von Schüben. Auch unterschwellige Entzündungen und Gewebeschäden können allmählich zur Entstehung und Verschlechterung der Fatigue beitragen.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primärer und sekundärer Fatigue. Während die primäre Form direkt durch die MS verursacht wird, entsteht die sekundäre Fatigue als Folge anderer Erkrankungen oder äußerer Einflüsse. Dazu zählen etwa Temperatur, Tageszeit, Ernährung oder die Einnahme bestimmter Medikamente.
Besonders herausfordernd für Betroffene ist, dass Fatigue nicht konstant auftritt. Sie kann in ihrer Intensität schwanken, schubartig verlaufen und dadurch den Alltag unvorhersehbar beeinflussen.
Diagnose: MS Fatigue Severity Scale und weitere Möglichkeiten
Fatigue ist ein subjektives Symptom und deshalb teilweise für Betroffene schwer zu erfassen. Was für den einen noch als Nachmittagstief durchgeht, ist für den anderen Erschöpfung. Der eine kann noch, der andere kriecht auf dem Zahnfleisch. Wir sind alle unterschiedlich und es gibt kein Pauschalrezept im Umgang mit der Fatigue. Man sollte sich deswegen auch auf gar keinen Fall dafür schämen. Leider macht diese subjektiv empfundene Komponente des Symptoms eine Diagnose schwierig und eine offene Kommunikation Deinem Arzt gegenüber nur umso wichtiger. Sprich Deinen Gemüts- und Erschöpfungszustand ehrlich an und geh am besten nicht willentlich dagegen vor.
Zur Diagnose verwenden Ärzte spezielle Fragebögen, die die Schwere und Art der Symptome sowie die Bereiche Deines Lebens, in denen sie auftreten, erfassen sollen. Je nach Art des Fragebogens werden körperliche, kognitive, psychische oder auch psychosoziale Einschränkungen registriert, es können allerdings auch Aufmerksamkeitstestungen zu verschiedenen Tageszeitpunkten durchgeführt werden. Das Ziel ist es, Deine Fatigue objektiv zu erfassen und von einem „normalen“ Erschöpfungszustand abzugrenzen.
Dabei kann es hilfreich sein, wenn Du ein sogenanntes Fatigue-Protokoll führst. Darin notierst Du, wann Du wach und leistungsfähig bist, unter welchen Umständen Du bestimmte Aufgaben am besten erledigen kannst oder welche Art der Pausen für Dich hilfreich sind und welche nicht. Eine solche Übersicht hilft nicht nur Dir, Dich besser auf die Fatigue einzustellen, Du kannst sie darüber hinaus auch zur Besprechung von Erschöpfungssymptomen mit Deinem Arzt verwenden. Eine Vorlage dafür findest Du in der Broschüre „Go visible – Unsichtbare MS-Symptome: Was andere nicht bemerken“ bei uns im Downloadbereich.
Beispiele für die Messung von Fatigue bei MS
PROMIS Fatigue MS: Misst die Müdigkeit von Menschen mit MS über 7 Tage. Er besteht aus 8 Fragen, die auf einer Skala beantwortet werden. Höhere Punktzahlen bedeuten mehr Müdigkeit. Der Test vergleicht die Ergebnisse mit denen der allgemeinen US-Bevölkerung, um festzustellen, wie stark die Müdigkeit im Vergleich zu anderen Menschen ist.
Fatigue Severity Scale (FSS): Besteht aus 9 Fragen, die die Müdigkeit und ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben messen. Die Antwort wird auf einer Skala von 9 bis 63 Punkten gegeben, wobei ein höherer Wert auf stärkere Müdigkeit hinweist.
Modified Fatigue Impact Scale (MFIS): Misst, wie sehr die Müdigkeit das Leben über einen Zeitraum von 4 Wochen beeinflusst. Die 21 Fragen beziehen sich auf körperliche, geistige und emotionale Aspekte. Je höher der Score, desto größer ist der Einfluss der Müdigkeit auf das Leben.
Therapie der Fatigue bei MS
Eine bewährte medikamentöse Therapie gegen Fatigue existiert leider nicht, was allerdings keinesfalls bedeutet, dass sie Deinen Alltag vollends bestimmen muss. Es gibt viele alternative Ansätze, die helfen können, besser mit der Erschöpfung fertig zu werden.
- Versuche Deinen Tagesablauf so zu planen, dass Du mehrere Ruhepausen einlegen kannst. Hier kann Dir Dein Fatigue-Protokoll helfen zu erkennen, wann diese für Dich am meisten Sinn machen. Auch die Verteilung von Aufgaben über den Tag hinweg kann nützlich sein. Üblicherweise hat man am Vormittag noch die meiste Energie, sollte sich schwierigen und komplexen Aufgaben also zeitig widmen. Am Nachmittag würden dann eher die Routineaufgaben stehen.
- Bewegung hilft! Auch wenn der erste Gedanke vielleicht ist, dass Sport ja nur umso müder macht, ist tatsächlich auf längere Sicht genau das Gegenteil der Fall. Gerade Ausdauersportarten, wie Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, etc., können Dir helfen, Dein allgemeines Leistungspensum und deine Belastbarkeit zu steigern. Was für Dich in Frage kommt, hängt natürlich von Dir persönlich ab und es gilt: Langsam herantasten und nicht gleich zu Beginn übertreiben. Mehr Informationen hierzu auch in unserem Artikel zu Sport und Bewegung bei Fatigue.
- Verschlimmert sich Deine Fatigue bei Wärme? Versuche – gerade im Sommer – Deine Körpertemperatur zu senken. Klimaanlage, die kalte Dusche oder auch spezielle Kühlwesten können unterstützen. Vergiss auch nicht, genug zu trinken.
- Entspannungstechniken, wie z. B. Yoga, aber auch Achtsamkeitstraining sind gut, um Stress zu reduzieren und besser mit Deinen Empfindungen und denen Deines Körpers umzugehen. Achte dabei aber auf ein ausgewogenes Maß aus Belastung und Entspannung, denn zu viel von zweiterem kann müde machen. Möchtest Du mehr über unterstützende Entspannungstechniken erfahren? Dann schau Dir doch unseren Artikel darüber an. Auch ein paar Tipps für mehr Achtsamkeit haben wir für Dich parat.
- Neben dem Stressmanagement lohnt sich auch ein Blick auf deine Ernährung, da sie einen wichtigen Einfluss auf die Fatigue bei MS haben kann. Eine ausgewogene Ernährung, insbesondere nach dem mediterranen Vorbild mit frischen, pflanzlichen Lebensmitteln und gesunden Fetten, kann Entzündungen verringern und die Symptome der Fatigue lindern. Zudem spielen Vitamine wie Vitamin D und B12 sowie eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme eine wichtige Rolle, um das Energielevel zu steigern und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.
- Eine Psychotherapie kann nützlich sein, Verhaltensweisen, die der Fatigue nicht zuträglich sind, zu erkennen und zu ändern. Auch können etwaige Schlafstörungen behandelt werden oder Konflikte, die aufgrund Deiner Erkrankung oder der Fatigue entstehen können, verarbeitet und gelöst werden.