MS ist eine Autoimmunerkrankung, die man behandeln kann!

Seit der Zulassung der ersten MS-Therapie vor genau 30 Jahren hat die Erforschung dieser Autoimmunerkrankung unglaubliche Fortschritte erzielt. Auch wenn eine Heilung leider noch nicht gefunden werden konnte, wurden zahlreiche Medikamente sowie unterschiedliche Therapieformen und -prinzipien entwickelt, die zur Kontrolle der Krankheits- und Entzündungsaktivität beitragen und den Krankheitsfortschritt verzögern können. Mit dem Effekt, dass die Fähigkeiten und Lebensqualität den Patienten so lange wie möglich erhalten bleibt.

Übersicht über die drei Therapieformen bei der Behandlung von MS

Eine ganzheitliche und erfolgreiche MS-Behandlung muss hohen Ansprüchen gerecht werden. Symptome sollen verbessert, Schübe vermieden und das Fortschreiten von krankheitsbedingten Beeinträchtigungen verzögert werden. Das alles unter Erhalt der individuellen Lebensqualität, guter Verträglichkeit und einer hoch-individualisierten Gestaltung der Behandlung. Also, eine ganze Menge.

Dafür ist nicht zuletzt das Zusammenspiel der nachfolgenden drei Therapieformen wichtig:

  • Die symptomatische Therapie soll Symptome der MS abmildern.
  • Bei der Schubtherapie soll die aktive Entzündung gestoppt und so das Ausmaß und die Dauer des Schubs reduziert werden.
  • Verlaufsmodifizierende Therapien sollen künftige Schübe möglichst verhindern oder deren Häufigkeit und/oder Schwere verringern. Diese Therapien nehmen aber auch Einfluss auf die Krankheitsaktivität und sollen das Voranschreiten der MS möglichst verlangsamen bzw. verhindern.

Die symptomatische Therapie der MS

Symptomatische Therapien werden in der Regel begleitend eingesetzt, um durch ein Abmildern der Symptome das Wohlbefinden der MS-Betroffenen zu verbessern. Dafür stehen zahlreiche Maßnahmen zur Verfügung, die je nach Bedarf zur Anwendung kommen. Schmerzmittel und andere Medikamente bei akuten physischen Beschwerden, Physio- und andere Rehabilitationstherapien (z. B. Logopädie) eher für langfristige Effekte. Für ausführlichere Informationen zu solchen Maßnahmen und weitere Tipps, die Du aktiv für Dein Wohlbefinden anwenden kannst, schau gerne in unsere Broschüre „Kompromissfrei Leben mit Multipler Sklerose“.

Schubtherapie bei MS

Schubtherapien werden angewendet, um das Ausmaß und die Dauer akuter Entzündungen bzw. Schübe und deren Symptome zu behandeln.

Durch den kurzfristigen Einsatz von Kortisonpräparaten (Kortikosteroiden) wird das Immunsystem unterdrückt und so die Folgen der akuten Entzündungsreaktionen gemildert. Die Behandlung mit solchen Präparaten ist in der Regel gut verträglich und wird auch zur unterstützenden Erholung von einem Schub eingesetzt. Aufgrund langfristiger Effekte eignen sich diese Therapien aber nicht zur dauerhaften Therapie der MS.

Bei besonders schweren Schüben kann auch eine Blutwäsche (Plasmapherese) in Betracht gezogen werden. Dazu wird ein Teil Deines Blutes, das Blutplasma, mit einem speziellen Verfahren gewaschen. Dadurch werden entzündungsfördernde Stoffe, die man klassischerweise im Plasma findet, entfernt.

Die verlaufsmodifizierende Therapie zur Behandlung von MS

Verlaufsmodifizierende MS-Therapien nehmen bei der Behandlung der Krankheit eine besondere Rolle ein, denn MS ist tückisch: Der überwiegende Teil der Krankheit läuft unbemerkt ab, also ohne Schübe oder erkennbare Symptome. Das heißt, auch wenn sich die betroffenen Personen fit fühlen, sind im Hintergrund weiterhin Entzündungsprozesse im Nervensystem aktiv. Ohne eine entsprechende Therapie besteht dadurch die Gefahr, dass die Krankheit ungehindert voranschreiten kann (Progression).

Wie die Bezeichnung „verlaufsmodifizierend“ schon sagt, konzentrieren sich diese Therapien deshalb auf verschiedene immunologische Vorgänge, um den Verlauf der MS zu beeinflussen und im besten Fall die Progression der Erkrankung aufzuhalten. Prinzipiell wird hierbei zwischen immunsuppressiven und immunmodulatorischen Therapien unterschieden. Erstere erzielen ihre Wirkung durch eine Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression), während letztere gezielt die Funktion des Immunsystems verändert (Immunmodulation).

Die Zielsetzungen beider Therapiemechanismen sind jedoch gleich, sie sollen:

  • Schübe langfristig vermeiden bzw. deren Häufigkeit und Schwere vermindern,
  • im MRT sichtbare Läsionen verringern, auch wenn diese keine spürbaren Beschwerden erzeugen und
  • ein Voranschreiten der Behinderung vermeiden.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass insbesondere bei der (hoch-)aktiven Verlaufsform der MS ein früher und effektiver Einsatz solcher Therapien ausschlaggebend sein kann. MS führt nachweislich schon früh (und schubunabhängig) zu Nervenschäden und das Eingreifen in den Krankheitsverlauf wird umso schwieriger, je weiter die Krankheit fortgeschritten ist. Daher ist der Beginn einer Therapie zu einem frühen Zeitpunkt, am besten bereits direkt nach der Diagnose, essenziell. Sprich darüber unbedingt mit Deinem Arzt.

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Über die Art der Behandlung der MS entscheidet Dein Arzt zusammen mit Dir

Je nach Form der MS können unterschiedliche verlaufsmodifizierende Therapien in Betracht gezogen werden. Welche Therapieoption am besten zu Dir passt, entscheidet Dein Arzt zusammen mit Dir. Es stehen inzwischen viele Wirkstoffe zur Verfügung. Sie unterscheiden sich darin, für welche Art der MS sie verwendet werden dürfen, wie sie verabreicht werden, also z. B. als Tablette oder Infusion, und auch darin, wie oft Du sie einnehmen musst bzw. verabreicht bekommst. Wenn Du eine detaillierte Übersicht über all diese Wirkstoffe haben möchtest, dann schau dir gern unseren Artikel dazu an.

Faktoren bei der Entscheidung für eine MS Therapie

Wenn man sich die Symptome der MS oder auch die im Verdacht stehenden Ursachen ansieht, erkennt man sehr schnell, warum MS als eine hochindividuelle Erkrankung bezeichnet wird. Genauso individuell müssen die zur Therapieentscheidung beitragenden Faktoren betrachtet werden. Denn diese sind nicht nur von Deiner MS abhängig. Im Folgenden möchten wir Dir eine Auswahl solcher Faktoren vorstellen.

Einen näheren Einblick aus der Sicht eines Arztes auf diese weiteren Faktoren findest Du in unserer Interviewreihe „MS-Klartext“ mit Dr. Gehring und Dr. Romanowski.

Moderat oder hochwirksam? Faktor Behandlungsstrategie

Aktuell gibt es zwei Strategien, die man bei der Behandlung von MS in Betracht zieht:

  • „treat to target“ – Bei diesem Ansatz werden zu Beginn der Behandlung moderat wirksame Mittel eingesetzt. Eine Anpassung auf Wirkstoffe mit höherer Effektivität erfolgt, wenn die moderate Therapie nicht mehr die gewünschte Wirkung zeigt und die MS weiter voranschreitet.
  • „hit hard and early“ – Das Ziel dieser Behandlungsstrategie ist der zeitnahe Therapiebeginn mit hochwirksamen Mitteln, um dem Voranschreiten der MS frühestmöglich zu begegnen.

Mehr Informationen zu diesen beiden Behandlungsstrategien findest Du hier.

Impuls oder durchgehend? Faktor Therapieform

Ein weiterer Faktor, der bei der Therapieentscheidung eine Rolle spielt, ist die Therapieform. Im Wesentlichen gibt es auch hier zwei Kategorien zwischen denen unterschieden wird:

  • Dauertherapie – oder auch Erhaltungstherapie genannt: Hier wird ein Medikament so lange eingenommen, wie die Erkrankung anhält. Bei chronischen Erkrankungen wie der MS bedeutet dies, dass das Medikament fortlaufend eingenommen bzw. verabreicht werden muss.
  • Impulstherapie– Die Medikamentenaufnahme erfolgt bei dieser Therapieform in kurzfristigen „Impulsen“. Das heißt, dass diese Mittel nur in bestimmten Phasen eingenommen bzw. verabreicht werden. Die Wirkung hält jedoch nachfolgend über einen längeren Zeitraum an. Die Wirkungsweise der Medikamente beruht auf einer kurzfristigen Reduktion bestimmter Abwehrzellen. Zugleich wird die Immunkompetenz, also der Schutz vor Infektionserkrankungen, im Behandlungsverlauf erhalten, da sich die Zellpopulation in den einnahmefreien Phasen erholen kann – es kommt gewissermaßen zu einem „Reset“ des Immunsystems. Somit wird ein langanhaltender Effekt bei möglichst langer therapiefreier Zeit erzielt.
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Piks oder Pille? Faktor Verabreichungsform

Die zurzeit verfügbaren Wirkstoffe werden in drei unterschiedlichen Formen verabreicht bzw. eingenommen:

  • Infusion – Der Wirkstoff wird in die Vene verabreicht. Dies übernimmt in der Regel medizinisches Fachpersonal.
  • Injektionen – Dabei wird der Wirkstoff in die obere Hautschicht (subkutan) oder in den Muskel (intramuskulär) gespritzt.
  • Oral – Das Medikament wird in Form von Tabletten oder Kapseln eingenommen.

Zusammen mit der Therapieform wird dieser Faktor auch von Deinen persönlichen Präferenzen und Deinem Lebensstil beeinflusst. Jemand, der Angst vor Spritzen hat, ist vielleicht mit Injektionen nicht gut beraten. Genauso wie jemand, der im Außendienst arbeitet und viel unterwegs ist, mit einer dauerhaften Therapie vor einem Problem (Transport, Lagerung etc.) stehen könnte. Besprich die Anforderungen Deines Jobs genauso wie Deinen Lebensstil deswegen unbedingt mit Deinem Arzt vor der Therapieentscheidung.

Tipp

Die beste Therapie hilft nicht, wenn Du sie nicht regelmäßig entsprechend deines Behandlungsplans einnimmst.

Deine Adhärenz ist ein wesentlicher Bestandteil Deiner Therapie. Und es gibt viele Gründe, die verhindern können, dass Du „treu“ bleibst. Darum ist es umso wichtiger, so viele wie nur möglich von Anfang an aus dem Weg zu räumen!

Wenn Du noch mehr Info über MS möchtest

Gerade, wenn die Diagnose MS noch frisch ist, gilt: Lass Dich von all diesen Informationen nicht unterkriegen. Gib Dir die Zeit, sie zu verstehen, besprich offene Fragen unbedingt mit Deinem Arzt und informiere dich gerne weiter in einem unserer anderen Artikel. Wenn du etwas Bestimmtes suchst, probiere einfach mal die Suchfunktion rechts oben aus. Oder schreib uns auf Facebook oder Instagram, wenn Du Dir zu einem Thema mehr Informationen wünschst.


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