
Das Wichtigste vorab: Aktuell gibt es keine spezielle und vor allem wissenschaftlich fundierte Ernährungsform oder auch MS-Diät, die das Fortschreiten der Krankheit nachweislich verzögern kann. Eine bestimmte Ernährungsmethode ersetzt somit nicht die Therapie. Eine vollwertige, ausgewogene und gesunde Ernährung kann aber Deine allgemeine Gesundheit fördern und damit zu Deinem körperlichen und seelischen Wohlbefinden beitragen.
Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Kost besteht aus viel Gemüse und Obst, dafür weniger Fleisch und Fett. Sie wird durch die Ernährungspyramide erklärt. Für eine übersichtliche Darstellung unterteilt das Bundeszentrum für Ernährung die Ernährungspyramide in 6 Kategorien, die entsprechend den Portionsmengen pro Tag in der Pyramide angeordnet sind. Mit den empfohlenen 6 Portionen (ca. 1,5 Liter) bilden ungesüßte Getränke die Basis. Darunter fallen z. B. Wasser, ungesüßte Tees oder stark verdünnte Säfte. Gefolgt von 5 Portionen Obst und Gemüse. Dabei gilt, möglichst frisch, saisonal und fettarm zubereitet. Kohlenhydratlieferanten wie Brot, Müsli oder Beilagen wie Reis, Nudeln und Kartoffeln werden mit 4 Portionen am Tag empfohlen. Für die Abwechslung kann man hier auch gerne den Speiseplan um eher selten genutzte Produkte erweitern. Wie wäre es z. B. mit Couscous oder Bulgur? Milch und Milchprodukte sind wichtige Eiweiß-, Vitamin B- und Kalziumlieferanten und werden mit 3 Portionen täglich angegeben. Andere tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Wurst und Eier, aber auch Hülsenfrüchte und pflanzliche Fleischalternativen fallen auf die gleiche Stufe, wie Milchprodukte, es wird aber nur 1 Portion pro Tag nahegelegt. Während bei Fleisch eher zu den mageren Sorten gegriffen werden sollte, wird bei Fisch der regelmäßige Verzehr von fettreichen Fischsorten, wie Lachs und Makrele empfohlen, da diese besonders reich an Omega-3-Fettsäuren sind. Als nächstes folgen Fette und Öle mit 2 Portionen pro Tag. Insbesondere hochwertige Speiseöle wie Oliven- oder Leinöl. Sozusagen das krönende Sahnehäubchen bilden Genussmittel, wie Süßigkeiten, Knabbereien und Alkohol. Diese sollten mit nicht mehr als 1 Portion pro Tag vertreten sein.
Unser Tipp: Drucke Dir die Ernährungspyramide aus und klebe sie Dir an einen Ort, an dem Du sie beim Kochen siehst (z. B. den Kühlschrank). So kannst Du sie Dir jeden Tag ein bisschen besser einprägen und beim Einkauf im Hinterkopf behalten. Im Infokasten unter dem Text findest Du zudem ein paar hilfreiche Ernährungstipps für den Alltag. Aber zunächst geben wir Dir gerne eine kleine Übersicht zu ausgesuchten und aktuellen Ernährungskonzepte.
3 größer 6? Haben Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren einen Einfluss auf die MS?
Auch wenn Entzündungsprozesse sich im Laufe der Evolution als ein hilfreiches Abwehrmittel unseres Körpers entwickelt haben, können sie zu einem großen Problem werden, wenn sich der eigene Körper gegen sich selbst wendet. Für entzündliche Erkrankungen wie Rheuma ist erwiesen, dass Entzündungsprozesse im Körper mithilfe der Ernährung vorgebeugt oder abgeschwächt werden können. Dabei spielen die Fettsäuren Omega-6 und Omega-3 eine wesentliche Rolle. Beide werden weitgehend von denselben Enzymen weiterverarbeitet, erzielen aber zum Teil gegenteilige Effekte. So entstehen aus Omega-6-Fettsäuren Botenstoffe, die eine entzündliche Wirkung besitzen, wogegen Botenstoffe, die aus Omega-3-Fettsäuren entstehen, entzündungshemmend wirken. Beide sind jedoch essenziell für unseren Körper und müssen in den meisten Fällen mit der Nahrung aufgenommen werden. Dabei kommt es auf das richtige Verhältnis an.
In Analogie zu diesen Erkenntnissen, konzentrieren sich die Ernährungsempfehlungen für MS darauf, Lebensmittel, die die Produktion von entzündungsfördernden Stoffen begünstigen können, zu meiden und sie durch Nahrungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren (z. B. fetter Fisch, Walnüsse und Leinsamen) zu ersetzen. Wissenschaftlich bestätigt ist dies allerdings noch nicht.
Vegetarische und vegane Ernährung bei MS
Ebenfalls gibt es keinen Nachweis dafür, dass eine vegetarische oder vegane Ernährung einen positiven Einfluss auf MS haben kann. Bei vegetarischer Ernährung kommen Fleisch und Fisch nicht auf den Tisch. Viele der für uns wichtigen Antioxidantien, wie Vitamin C, E und beta-Karotin stammen aus pflanzlichen Quellen. Deshalb ist es sinnvoll, wie auch bereits in der Ernährungspyramide gezeigt, reichlich pflanzliche Lebensmittel in Deinen Speiseplan einzubauen.
Bei einer veganen Ernährung sind alle tierischen Nahrungsmittel, wie Fleisch, Fisch, aber auch Eier, Honig und Käse tabu. Während eine vegetarische Ernährung für Dich relativ einfach umzusetzen und abwechslungsreich ist, benötigst Du bei einer veganen Ernährung sehr gute Kenntnisse über Nährstoffe, deren Bedarf und eine gute Zusammenstellung der pflanzlichen Lebensmittel. Außerdem solltest Du beachten, dass Dir ohne tierische Lebensmittel wichtige Lieferanten für einige Vitamine und Mineralstoffe im Speiseplan und damit für eine ausgewogene und gesunde Ernährung fehlen. In der Regel ist bei einer veganen Ernährung eine Nahrungsergänzung erforderlich. Diese kann zu Wechselwirkungen mit Deiner MS-Therapie führen. Sprich daher unbedingt mit Deinem Arzt, solltest Du Dich künftig vegan ernähren oder Deine Ernährung mit Nahrungsergänzungsmitteln erweitern wollen.
Essen wie in der Steinzeit – wichtige Punkte zu Paleo bei MS
Paleo wird auch als Steinzeiternährung bezeichnet. Bei diesem Konzept steht nur das auf dem Speiseplan, was auch die Steinzeitmenschen zur Verfügung hatten – und das waren Gemüse, Obst, Eier sowie Fisch und Fleisch. Industriell hergestellte oder verarbeitete Lebensmittel und Getreideprodukte sollen bei Paleo möglichst gemieden werden. Milch und Milchprodukte, Kaffee sowie Hülsenfrüchte sollten nur selten auf dem Teller landen. Die Paleoernährung kann in verschiedenen Formen erfolgen. Einige sehen einen hohen Fleischkonsum vor und sind deshalb gerade bei MS nicht zu empfehlen. Der Grund: Durch die Aufnahme von viel Fleisch kommen dem Körper erhebliche Mengen an Arachidonsäure zu. Diese produziert sogenannte Vermittlungshemmer, die Entzündungen im Körper verstärken können. Prinzipiell sollte bedacht werden, dass bei Paleo – wie bei allen Ernährungskonzepten, die mit Einschränkungen verbunden sind – die Gefahr einer einseitigen Ernährung besteht. Daher ist es auch hier wichtig, genau darauf zu achten, dass alle notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge aufgenommen werden. Am besten mit ärztlicher und / oder ernährungswissenschaftlicher Betreuung.
Wer hat’s erfunden? Die Kousmine-Diät aus der Schweiz
Die Kousmine-Diät stammt von der Schweizer Ärztin Dr. Catherine Kousmine (1904–1992) und basiert unter anderem darauf, tierische Fette durch kaltgepresste Pflanzenöle zu ersetzen. Das Ernährungskonzept beinhaltet außerdem die Nahrungsergänzung durch hoch dosierte Vitamine und Spurenelemente. Dr. Catherine Kousmine testete ihr Konzept an Menschen mit Multipler Sklerose. Die erreichten Erfolge konnten allerdings bis heute nicht wissenschaftlich bestätigt werden.
Bewusste Ernährung mit Effekt? Fasten und Keto bei MS
Beim Fasten verzichtet man bewusst und freiwillig für eine begrenzte Zeit auf feste Nahrung und Genussmittel. Das therapeutische Fasten ist eine vieldiskutierte Therapieform in Bezug auf MS. Studienresultate zeigen, dass MS-Betroffene ihre Lebensqualität und unter Umständen auch gewisse MS-Symptome durch Fasten selbst positiv beeinflussen können.
Ein Konzept, dass dem Fasten nachempfunden wurde, ist die ketogene Ernährung. Hierbei wird möglichst ganz auf Kohlenhydrate verzichtet. Stattdessen nimmt man viele gute Fette, wie sie beispielsweise in Avocados, Macadamianüssen oder auch in Butter vorkommen, zu sich.
Die ketogene Ernährungsform lässt sich leicht in den Alltag integrieren. Erste Studien zeigen, dass MS-Patienten von ihr profitieren könnten: Durch die Zufuhr von mehr Fett, wird im Körper eine Veränderung des Gehirnstoffwechsels angeregt. Dies führt nicht nur dazu, dass mehr Energie produziert, sondern auch die Bildung von freien Radikalen verringert wird. Nervenzellen können dadurch besser geschützt werden. Endgültig bestätigt ist diese Wirkung allerdings noch nicht.
Ernährungsumstellung für die MS – nur auf lange Sicht sinnvoll
Im Gegensatz zu Medikamenten, die ihre Wirkung in den meisten Fällen sehr schnell entwickeln, z. B. bei einer Kortisonbehandlung, ist ein Nutzen einer Ernährungsumstellung meist erst nach Monaten oder Jahren messbar. Eine Ernährungsumstellung wirkt sich daher nur langfristig aus, denn der Körper braucht Zeit sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Gerade diese Langfristigkeit ist jedoch der entscheidende Punkt. Denn ein gesunder Lebensstil, zu dem neben Bewegung und Stressreduktion eben auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung gehört, erhöht die Chance, langfristig Folgeerkrankungen zu vermeiden und damit Deine Lebensqualität aufrecht zu erhalten.
Tipps für die Ernährung mit MS im Alltag
- Iss fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag. Sie versorgen Deinen Körper mit Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen.
- Gönne Dir ein- bis zweimal pro Woche Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren (z. B. Fisch, Walnüsse). Und/Oder verwende Raps- und Sonnenblumenöl zum Kochen, diese enthalten die für uns essenziellen ungesättigten Fettsäuren alpha-Linolensäure (Omega-3) und Linolsäure (Omega-6).
- Sei sparsam mit gesättigten Fetten, die vor allem in Fleisch-/Wurstwaren enthalten sind: Pro Woche max. zwei Portionen à 100–140 g reichen aus. Wähle hier auch am besten die mageren Varianten.
- Milchprodukte kannst Du regelmäßig in den Speiseplan mit einbauen. Sie liefern Eiweiß, B-Vitamine, Vitamin D und Kalzium.
- Triff die richtige Wahl: Kohlenhydrate sind wichtige Energielieferanten. Dabei solltest Du ruhig wählerisch sein. Denn Lebensmittel, die reich an Ballaststoffen sind (z. B. Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte) halten Dich länger satt, fördern die Verdauung und sind gut für Deine Darmflora.
- Augen auf beim Kauf: Auch wenn sie lecker schmecken, industriell verarbeitete Lebensmittel enthalten oft hohe Anteile an versteckten Zuckern. Solche Mono- und Disaccharide (Einfach- und Zweifachzucker) sind schnelle Energielieferanten, lassen den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen, aber auch schnell wieder absinken. Dadurch bekommst Du schnell wieder Hunger. Wenn Du einen Snack für Zwischendurch willst, dann entscheide Dich lieber für ein paar Nüsse (z. B. Walnüsse, Pistazien) oder Saaten (z. B. ein Gericht mit Lein- oder Chiasamen).
- Trinken nicht vergessen: Für eine gute Verdauung mindesten 1,5 Liter pro Tag trinken, am besten Wasser.
- Das Essen genießen: Nimm Dir Zeit und gönn Dir eine abwechslungsreiche und saisonale Ernährung.
- Sei aktiv: Sport kann bedeutend zu Deinem seelischen und körperlichen Wohlbefinden beitragen. Für Erwachsene im Alter von 18–64 Jahren empfiehlt die WHO 30 min bis 1 Std moderate sportliche Aktivität pro Tag.
- Achte auf die Signale Deines Körpers: Wenn Du merkst, dass Du bestimmte Lebensmittel nicht verträgst oder Dir etwas anderes in Deiner Ernährung nicht guttut, besprich es mit Deinem Arzt, um Allergien und Unverträglichkeiten rechtzeitig abzuklären.
Solltest Du Deine Ernährung umstellen wollen, ist es wichtig, dass Du zunächst mit Deinem Arzt darüber sprichst. Er kann mit Dir klären, ob Du gegebenenfalls eine Lebensmittelunverträglichkeit hast, die Dich einschränken könnte. Außerdem kann er Dir sagen, ob eine Ernährungsumstellung zu Wechselwirkungen mit Deiner MS-Therapie führen kann. Wenn Du wissen möchtest, ob sich eine Ernährungsumstellung auf Deine MS auswirkt, kannst Du Dein Essverhalten in einem Ernährungstagebuch dokumentieren. Schreibe auf, welche Lebensmittel Du zu Dir nimmst und wie Du Dich fühlst.
Was Du bei allem nicht vergessen solltest: Hab Spaß am Essen und lasse es Dir immer gut schmecken! Go yummy – Go for life!
Wie sieht Deine aktuelle Ernährung aus? Gibt es eine spezielle Ernährungsform, die Du für Dich gewählt hast und die Dir persönlich guttut? Sag es uns gerne bei Instagram oder Facebook.
DE-NONNI-00321, Stand: 11/2022