
Die MS-Therapieentscheidung
Du hast sicher schon mitbekommen, dass MS auch als „die Krankheit der 1000 Gesichter“ bekannt ist. Im Gegensatz zu vielen anderen chronischen Erkrankungen ist sie dadurch schwer einheitlich zu erfassen. Sowohl im Hinblick auf Symptome als auch in Verlauf und Therapie. Seit dem ersten MS-Bericht vor über 100 Jahren, hat die Medizin beträchtliche Fortschritte gemacht. Besonders im Hinblick auf die Behandlung und Erforschung dieser Erkrankung. Allein für die schubförmige MS gibt es aktuell über ein Dutzend verfügbare Medikamente. Allgemein gilt, dass Du deine MS-Therapie frühzeitig beginnen solltest, wie Du in der nachfolgenden Abbildung sehen kannst, um ein Fortschreiten der Krankheitsprogression langfristig positiv zu beeinflussen.

Abbildung modifiziert nach Giovannoni et al. Mult Scler Relat Disord. 2016; Suppl 1: S5–S48.
Die beste Langzeitprognose bei MS und beim klinisch isolierten Syndrom wird durch einen möglichst frühen Therapiebeginn ermöglicht.
Die Ermittlung einer passenden MS-Therapie für jeden Betroffenen gestaltet sich hierbei ganz individuell. Ein Ansatzpunkt, den man bei der Findung heranzieht, ist die Wahl des entsprechenden Therapieansatzes. Aktuell wird zwischen zwei unterschieden: Die „treat to target“ und die „Hit hard and early“-Strategie. Aber was genau steckt hinter diesen Begriffen?
Bei dem „treat to target“-Ansatz erhält der Patient zunächst eine Basistherapie. Das bedeutet, dass zu Beginn der Behandlung ein moderat wirksames Medikament eingesetzt wird. Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach der Krankheitsaktivität. Zeigt das moderate Mittel nicht mehr die gewünschte Wirkung und die MS schreitet weiter voran, wird die Therapie angepasst. In der Regel werden in diesen Fällen Medikamente mit einer höheren Effektivität verschrieben.
Beim zweiten Therapieansatz, der „Hit hard and early”-Strategie, erhalten Betroffene von Beginn an eine Therapie mit hochwirksamen Mitteln. Der Gedanke dahinter ist, dass man durch die zeitnahe Behandlung mit diesen Medikamenten dem Voranschreiten der Erkrankung so früh wie möglich entgegentritt.
Aktuell legen einige Studien nahe, dass eine frühe Behandlung mit einer hochwirksamen MS-Therapie sich langfristig positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Ein Beispiel dafür zeigt die Auswertung des MS-Registers aus Dänemark und Schweden aus dem Jahr 2021. Die Analyse vergleicht darin die unterschiedlichen Strategien, die bei der Erstbehandlung einer schubförmig remittierenden MS (RRMS) in Dänemark und Schweden üblich sind. Untersucht wurden Daten von knapp 5.000 Patienten mit schubförmiger MS auf das Fortschreiten der Behinderung über einen Zeitraum von vier Jahren. In Dänemark wird generell der Ansatz „treat to target“ verfolgt. Hier erhielten die Patienten zunächst milde bis moderate Medikamente, wohingegen in Schweden mit hochwirksamen Therapien gestartet wurde.
Das Ergebnis der Studie zeigt, dass schwedische Patienten, die frühzeitig mit einer hochwirksamen Therapie behandelt wurden, länger progressionsfrei blieben als dänische Patienten, welche mit dem „treat to target“-Ansatz behandelt wurden. Damit sehen die Autoren bestätigt, dass der frühe Einsatz hochwirksamer Mittel das Fortschreiten von Behinderungen effektiver verhindern konnte als der Therapiebeginn mit milden bis moderaten Mitteln.
Bisher gibt es leider nicht die eine Lösung für alle MS-Patienten. Jeder Patient muss individuell und für sich stehend betrachtet werden, damit jedem Betroffenen die optimale MS-Therapie angeboten werden kann. Insbesondere mit Blick auf die zahlreichen Faktoren, die bei der Auswahl berücksichtigt werden müssen, wie etwa die individuelle MS-Verlaufsform und die persönlichen Lebensumstände und/oder auch Lebensziele. Sei es, dass es sich dabei um berufliche Situationen und Perspektiven oder aber auch die persönliche Lebensgestaltung, wie Familienplanung, handelt. Auch in diesem Kontext sollte man nicht nur die Therapiestrategie, sondern auch die Therapieform im Blick haben. Denn auch hier gibt es diverse Unterschiede in der Anwendung, die besser oder schlechter zu deiner aktuellen Lebenssituation passen. Ein Beispiel dafür ist die Aufteilung in Dauer- und in Impulstherapie.
MS ist eine hochindividuelle Erkrankung und in diesem Kontext muss auch ihre Therapie betrachtet werden. Überzeugende Argumente gibt es für beide Strategien. Schließlich zählt aber nur, dass die MS-Therapie zu Dir und Deinen einzigartigen Lebensumständen passt und das auf einen möglichst langen Zeitraum. Sprich am besten mit Deinem behandelnden Arzt über die Dir zur Verfügung stehenden Therapieoptionen und lass Dich zu der für Dich optimalen MS-Therapie beraten.
Auch wir haben einen Experten zu den aktuellen Therapieoptionen befragt und was er dazu zu sagen hatte, zeigen wir Dir gerne in diesem Artikel.
DE-NONNI-00208 (05/2022)