Einnahmefreie Phasen sind charakteristisch für MS-Impulstherapien

Multiple Sklerose ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Sie ist unvorhersehbar, hochindividuell und, nach aktuellem Stand der Forschung, leider (noch) nicht heilbar. Aber: Sie ist behandelbar! Heute gibt es eine Vielzahl an Optionen, die Betroffenen und Behandlern für eine zu großen Teilen individualisierte Therapie zur Verfügung stehen. 

Bei der Behandlung der Multiplen Sklerose stehen verschiedene Therapieformen zur Verfügung, die sich sowohl in der Art der Verabreichung als auch in der Häufigkeit der Anwendung unterscheiden. Vielleicht bist Du bereits mit dem Begriff Dauertherapie vertraut oder hast sogar selbst Erfahrungen damit gesammelt. Dauertherapie bedeutet, dass Du fortlaufend ein Medikament zu Dir nimmst, bis die Behandlung abgeschlossen ist oder – im Fall einer chronischen Erkrankung wie der MS – dauerhaft. Die Wirkung solcher Medikamente beruht dementsprechend auf der kontinuierlichen Einflussnahme auf das Immunsystem und bleibt nur während der Anwendungszeiträume bestehen. Das MS-Präparat wird – abhängig vom enthaltenen Wirkstoff – täglich, wöchentlich, monatlich oder in anderen regelmäßigen Abständen kontinuierlich eingenommen bzw. angewendet. 

Bei einer Impulstherapie wird das Medikament nur in bestimmten Einnahmephasen angewendet, die Wirkung bleibt jedoch auch in den einnahmefreien Phasen bestehen. Die Wirkungsweise der aktuell zu dieser Kategorie zählenden Medikamente beruht auf einer kurzfristigen Reduktion bestimmter Abwehrzellen. Zugleich wird die Immunkompetenz im Behandlungsverlauf erhalten, da sich die Zellpopulation in den einnahmefreien Phasen erholen kann – es kommt gewissermaßen zu einem „Reset“ des Immunsystems. Somit wird ein langanhaltender Effekt bei möglichst langer therapiefreier Zeit erzielt. Die Dauer der Behandlungsphasen und der einnahmefreien Zeit ist vom jeweiligen Medikament abhängig.

220817 Grafik Prinzip Orale Impulstherapie

Die Abbildung zeigt die Dauertherapie und die Impulstherapie im Vergleich. Während die Dauertherapie eine kontinuierliche Medikamentengabe vorsieht, wird das Medikament im Rahmen der Impulstherapie lediglich in bestimmten Phasen verabreicht – seine Wirkung hält jedoch auch darüber hinaus an. 

Auch bei Impulstherapien spielt Adhärenz eine wichtige Rolle

Bei einer Impulstherapie wird das Medikament also nur in bestimmten Einnahmephasen verabreicht – je nach Präparat als Tablette oder Infusion. Zwischen diesen Abschnitten liegen meist einige Monate, in denen keine Tabletteneinnahme oder Infusion vorgesehen ist. 

Wichtig ist, dass man sich an den vorgesehenen Behandlungsplan hält, um den bestmöglichen Therapieerfolg zu erzielen. Vor allem in Phasen, in denen keine akuten Beschwerden oder Symptome vorliegen, kann die Therapietreue bzw. Adhärenz bei Betroffenen einer chronischen Erkrankung wie MS mit der Zeit nachlassen. Die Folgen einer sogenannten Non-Adhärenz können schwerwiegend sein. Deine MS-Therapie hat großen Einfluss auf die Krankheitsprogression und damit auch darauf, wie schnell und intensiv sich Deine Symptome (weiter-)entwickeln können. Als Unterstützung kannst Du z. B. digitale Helfer oder auch Erinnerungshilfen wie Post-Its oder einen Kalender nutzen, damit Du zuverlässig an die Tage Deiner Medikamenteneinnahme oder Infusionen und an Vorsorgeuntersuchungen und Arzttermine denkst.

Der Einfluss einer MS-Therapie auf Deine Lebensqualität

Die Wahl einer Dauer- oder Impulstherapie kann sich auch auf die eigene Lebensqualität, das persönliche Wohlbefinden und die zukünftige Lebensplanung auswirken. Daher solltest Du bei der Wahl einer Therapie mit Deinem Arzt auch über Zukunftspläne sprechen. Denn die eigenen Lebensumstände können sich sehr schnell ändern. Sei es ein Jobwechsel, ein Wohnortwechsel (insbesondere ins Ausland) oder die Familienplanung. All das sind Aspekte, bei denen die Behandlung mit einer Dauer- bzw. Impulstherapie einen Unterschied machen kann. Daher sollte sich jeder MS-Betroffene bewusst machen, welche Faktoren für ihn besonders wichtig sind. Ein paar dieser möglichen Faktoren wollen wir Dir gerne in diesem Abschnitt vorstellen. 

  • Das subjektive Wohlbefinden 

Das persönliche Wohlbefinden ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Therapieentscheidung, denn es hat einen der stärksten Einflüsse auf Deine Therapietreue. Manche Patienten fühlen sich mit einer Therapie am wohlsten, die ihnen ein Gefühl der Kontrolle und Selbstwirksamkeit gibt. Speziell für Menschen, die gerne einem geregelten Alltag mit konstanten Ritualen nachgehen, kann dies wichtig sein. Auf andere können solche Rituale wiederum einschränkend wirken. 

  • Vorübergehende Veränderungen Deines Lebensstils 

Eines der besten Beispiele für solche Veränderungen sind Urlaubsreisen. Impulstherapien erlauben Dir in diesem Punkt eine gewisse Flexibilität, da anstehende Reisen um die Einnahmephasen herum geplant werden können. Während der einnahmefreien Zeit brauchst Du Dir über die Ergänzung der Reiseapotheke, die Medikamentenlagerung und die Einnahme keine Gedanken zu machen. Und auch die für die Reise wichtigen Impfungen können in die einnahmefreien Zeiträume gelegt werden.

Kein Hindernis für Impfungen

Im Großen und Ganzen sind immunsuppressive bzw. immunmodulatorische MS-Therapien kein Hindernis für Impfungen. Eine Immunisierung mit Totimpfstoffen ist ohne erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen möglich. Der Impferfolg variiert je nach Therapie. Daher solltest Du vor Reisen, speziell in Zielgebiete mit besonderen Impfanforderungen, oder auch vor der jährlichen Grippeimpfung und anderen Auffrischungsimpfungen mit Deinem Arzt sprechen. Denn auch hier gibt es Unterschiede zwischen Dauer- und Impulstherapien. So können bei Impulstherapien wenige Monate nach der letzten Tablette oder Infusion zum Beispiel Impfungen unter Therapieschutz und mit einer Immunantwort durchgeführt werden. Ausführlichere Informationen zum Thema Impfungen und MS findest Du hier und in unserer Broschüre „Kleiner Pikser, große Wirkung: Impfen bei MS“.

  • Dauerhafte Veränderungen Deines Lebensstils 

Ein paar Beispiele für langfristige Veränderungen wie Jobwechsel oder Wohnortwechsel haben wir ja bereits kurz genannt. Es gibt aber kaum einen Faktor, der das Leben so nachhaltig verändert, wie die Familienplanung. Da MS nicht zu den klassischen Erbkrankheiten gehört, besteht für Betroffene grundsätzlich kein Risiko, die Erkrankung an ihre Kinder weiterzugeben. Die meisten MS-Medikamente sind jedoch nicht bzw. nur eingeschränkt für Schwangere oder Stillende zugelassen. Bei Impulstherapien sollten während und einige Monate nach den Einnahme- bzw. Verabreichungszeiträumen entsprechende Vorkehrungen zur Verhütung eingehalten werden. Jedoch können bereits 4 bis 6 Monate nach der letzten Tablette oder Infusion dann die therapiefreien Zeiten zur Erfüllung des Kinderwunsches bewusst genutzt werden, was einen gewissen Grad an Flexibilität und Planbarkeit erlaubt. 

  • Therapieplanung mit Blick auf das große Ganze 

Wenn zusätzlich zur MS weitere Erkrankungen (Komorbiditäten) bestehen, kann das Auswirkungen auf die Wahl der Therapieform haben. Auch Medikamente, die Du möglicherweise dauerhaft einnimmst, können mit bestimmten MS-Therapien in Wechselwirkung treten. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, gemeinsam mit Deinem Arzt die gesamte Medikation im Blick zu behalten. So kann besser eingeschätzt werden, welche Behandlungsoption für Dich langfristig am besten geeignet ist – auch im Hinblick auf Verträglichkeit und Alltagstauglichkeit.

Die Therapieentscheidung ist und bleibt individuell, auch bei der MS-Behandlung

Die Entscheidung zwischen Dauer- oder Impulstherapie sollte in jedem Fall zu Dir und Deiner Lebensgestaltung passen. Selbstverständlich sind auch Deine MS-Verlaufsform und Krankheitsaktivität bei der Therapieentscheidung wichtige Punkte. Aber ebenso spielen Du selbst, Deine Persönlichkeit, Deine Lebensumstände und Deine Ziele eine Rolle. Warum? Weil, wie wir weiter oben bereits angesprochen haben, ohne Dein Durchhaltevermögen und Dein Engagement auch die beste Therapie ihre Wirkung nicht voll entfalten kann. 

Dabei lohnt sich ein Blick auf diese Fragen nicht nur direkt nach der Diagnose. Lebensumstände ändern sich. Mal mehr, mal weniger geplant. Auch die Einstellung gegenüber Deiner Therapie kann im Laufe des Lebens variieren. Ganz zu schweigen von den ständigen Fortschritten in der Erforschung neuer Behandlungsoptionen. All das sind Gründe dafür, Dich regelmäßig mit Deiner Therapie, Deinen individuellen Anforderungen und Deinen Begleitumständen aktiv und gemeinsam mit Deinem Arzt auseinanderzusetzen. Ein möglicher Therapiewechsel kann dabei eine sinnvolle Option sein, wenn Deine aktuelle Behandlung nicht mehr optimal zu Dir passt. Unserer Checkliste „Therapiegespräch bei MS: Tipps für informierte Entscheidungen“ bietet Dir eine hilfreiche Orientierung, um gemeinsam mit Deinem Arzt die passende Therapieform für Deine persönliche Situation zu finden. 

Hast Du noch Fragen zur Impulstherapie, die unbeantwortet geblieben sind? Dann kontaktiere uns unbedingt, z. B. über Facebook und Instagram. Wir freuen uns auf Dich! 

 

DE-NONNI-00899, Stand 05/2025