Mit Sport kann man ja immer anfangen. Und viele, die sich selbst für absolut unbegabt und unsportlich hielten, können bald nicht mehr ohne Training. Du hast auch das Bedürfnis etwas für Dich und Deine Fitness zu tun? Das ist super! Wir haben hier die wichtigsten Fakten für Dich zusammengestellt.

​Darum ist Sport gesund ​

Sport stabilisiert und steigert die Leistungsfähigkeit und ganz allgemein das körperliche und seelische Wohlbefinden. Jeder Mensch profitiert von regelmäßiger Bewegung – denn dadurch kann das Risiko für die Entstehung von Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Rückenbeschwerden gesenkt werden. Diese Aspekte sind gerade für Menschen mit MS sehr relevant. Viele wissenschaftliche Studien konnten aufzeigen, dass Menschen mit MS durch Sport ihre Muskelkraft verbessern konnten, eine positive Wirkung auf ihr Gleichgewicht erzielen und beispielsweise auch Fatigue reduzieren konnten. Wer Sport treibt, kann vermutlich auch seine MS besser bewältigen: Die zunehmende körperliche Fitness kann die Mobilität steigern und Folgeerkrankungen wie Osteoporose und Depressionen verhindern.

Dein Körper, Dein Tempo

Die persönliche Fitness variiert von Mensch zu Mensch – ob mit MS oder ohne. Deshalb lassen sich kaum allgemein gültige Trainingsempfehlungen geben. Die Krankheit der 1.000 Gesichter erfordert ohnehin ein individuelles Training, das die eigenen Bedürfnisse, Möglichkeiten und etwaige körperliche Einschränkungen berücksichtigt. Sport-Neulinge sollten mit leichten und einfachen Bewegungen und Trainingsformen starten. Grundsätzlich gilt: Bei auftretenden Symptomen sollte eine Unterbrechung jederzeit möglich sein. Stimme Dein Training auf Dein momentanes Empfinden ab: Achte auf die Signale Deines Körpers und vermeide Überanstrengung. Trage angemessene Kleidung und halte Möglichkeiten zur Kühlung bereit. Für Menschen mit wie ohne MS gilt ohnehin: Ausreichend trinken, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Und: Kein Training in der größten (Mittags-)Hitze oder während einer akuten Infektion.

Welche Sportarten eignen sich?

Selbstverständlich hat die MS bei der Wahl der Sportart ein Wörtchen mitzureden. Manchmal diktieren bestehende Symptome oder körperliche Einschränkungen die Möglichkeiten. Doch lass Dich von der MS nicht von Deinem Lieblingssport abbringen. Vielleicht ist in manchen Krankheitsphasen eine Alternative zum gewohnten Training angezeigt – oder Du solltest Hilfsmittel nutzen. Wenn Du Dir unsicher bist, wie Du Dich sportlich fordern kannst, ohne Dich zu überanstrengen oder Dich bei bestehenden Handicaps zu stark zu belasten, sprich mit Deinem Arzt.
Menschen mit MS sollten Sportarten meiden, die nicht jederzeit gefahrlos unterbrochen werden können. Mit anderen Worten: Auf Schwimmen weit draußen im Meer oder Klettertouren im Hochgebirge also lieber verzichten. Ansonsten sind dir keine Grenzen beim Ausprobieren von neuen Sportarten gesetzt. Nordic Walking gilt übrigens als ideale Sportart für Menschen mit MS, denn die stützenden Stöcke gehören dazu. Allerdings geben sich damit längst nicht alle sportbegeisterten MS-Erkrankten zufrieden: Laufen, Paragliding (im Tandem), Klettern, Radfahren, Kanufahren, Wandern, therapeutisches Reiten („Hippotherapie“) und Tanzen sind nur einige Beispiele für Sportarten, die man nicht sofort in unmittelbare Verbindung mit MS bringt, die aber dennoch viele Menschen mit MS mit Begeisterung ausüben.

Vielleicht kennt auch Dein behandelnder Arzt oder Deine MS-Schwester Sportangebote, die für Dich in Frage kommen? Übrigens gibt es auch für Menschen mit starken körperlichen Beeinträchtigungen sehr viele Möglichkeiten Sport zu treiben. Wer das nicht glaubt, sollte schleunigst auf die Seite des Deutschen Behindertensportverbandes klicken: dbs-npc.de.

Planschend fit werden

Die Halliwick®-Therapie eignet sich beispielsweise ganz besonders für MS-Betroffene mit stark ausgeprägter Symptomatik. Wasserratten aufgepasst – hier findet das Training im Wasser statt: Wer sich bis zu den Schultern im nassen Element befindet, muss nur noch zehn Prozent seines Eigengewichts tragen. Die Auftriebskraft im Wasser, der hydrostatische Druck und die Strömungseffekte können positive Einflüsse auf das Gleichgewicht, den Spannungszustand der Muskulatur und das Herz-Kreislaufsystem haben. Langsame Bewegungen im Wasser erfordern zudem eine geringere Muskelspannung und durch die Auftriebskraft können sich Spastiken reduzieren. Insbesondere bei Ataxie, Muskelschwäche oder Gangstörungen können MS-Erkrankte Bewegungen und Haltung im Wasser trainieren: Die Trägheit des Wassers bietet mehr Zeit zum Reagieren. Die Sturzgefahr ist quasi ausgehebelt, sodass Bewegungsfehler leichter korrigiert werden können. Dies steigert das Selbstvertrauen und erhöht die Motivation zum Training.

Trainer-Einblicke

Und wie kann Sport für Menschen mit MS im Alltag funktionieren? Wir haben einen gefragt, der es wissen muss: Philip Mes ist Personal Trainer, Bewegungs- sowie Lauftrainer und durch einen erkrankten Freund mit MS vertraut. Seit einigen Jahren trainiert er einmal die Woche eine Gruppe MS-Erkrankter. Auf dem Trainingsplan stehen Übungen für Balance, Reaktion, Krafttraining, Bewegung, Körperhaltung und Wahrnehmung, aber auch Atemtraining und kognitives Training.

Ob er beim Training Unterschiede bemerke im Vergleich zu gesunden Hobbysportlern? „Meine Gruppe mit MS ist unheimlich positiv und sehr gut aufeinander eingespielt. Die Gemeinschaft trägt alle und es ist für die einzelnen Mitglieder selbstverständlich, Rücksicht auf die Schwächeren zu nehmen. In Gruppen mit gesunden Mitgliedern muss ich mitunter regulierend eingreifen, die stärkeren Teilnehmer ‚zurückpfeifen’ und zur Rücksicht ermahnen – andererseits aber auch sehr viel stärker motivieren und pushen, dass sich einzelne fordern und ihre Leistung abrufen. Meine MS-Gruppe ist da sehr viel bewusster, was den eigenen Körper angeht. Die können sich gut einschätzen, was sie sich zutrauen und wie sie sich belasten können“, sagt Philip Mes. Mit seinem Training will er moderate Reize setzen und neue Verknüpfungen schaffen. Denn im Grunde ist für ihn die Frage entscheidend: „Wer bestimmt was passiert – die Krankheit oder ich selbst?“ Dazu will er die Mitglieder seiner MS-Gruppe motivieren.

Das schlimmste sei doch, wenn man sich mit so einer Diagnose verkriecht und in die Isolation abtaucht. Deshalb trainiert er auch regelmäßig Körperhaltung, Atem und Stimme. „Denn ich beobachte bei vielen Betroffenen, dass die Stimme leiser wird, die Haltung gebückter und sie sich am liebsten verstecken wollen.“ Dass regelmäßiges Training in Verbindung mit einem sozialen und kulturellen Programm bei MS positive Einflüsse auf die Krankheit, das körperliche und seelische Wohlbefinden hat, weiß der Trainer aus seiner langjährigen Erfahrung: „Ich sehe sofort, wer über das Gruppen-Training hinaus noch alleine weitertrainiert und beispielsweise Kraftübungen macht. Es ist schon so, und gerade bei MS: Wer rastet, der rostet.“


DE-NONNI-00436, 02/2023